Volksverhetzung als Strategie

Yasin Baş
Yasin Baş

2017 registrierte der “Kriminalpolizeiliche Meldedienst“ 2691 politisch motivierte Straftaten mit antichristlichem, antisemitischem sowie antimuslimischem Hintergrund. 1495 Delikte hatten demnach ein judenfeindliches und 1069 Fälle ein antimuslimisches Tatmotiv. Bei den politisch motivierten Verbrechen gegenüber Christen zählten die Behörden 127 Fälle. Rechtsextremes Gedankengut und Hasskampagnen sind nicht unverantwortlich für derlei Strafhandlungen.

Wer hat mehr für Deutschland getan, Einwanderer oder die AfD?

Vor diesem aktuellen Hintergrund erscheint die türkenfeindliche Hetzrede des AfD-Landesvorsitzenden von Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, beim Politischen Aschermittwoch im sächsischen Nentmannsdorf, in einem neuen Licht. Der AfD-Politiker hatte die in Deutschland lebenden Türken als „Kümmelhändler“ und „Kameltreiber“ verunglimpft, die „in Deutschland nichts zu suchen und nichts zu melden“ hätten. Auch an die Adresse der Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft gab es herbe Worte: Als „heimat- und vaterlandsloses Gesindel“ wurden sie verschmäht. Poggenburg und seine Gesinnungsgenossen – gerade in den Neuen Ländern und insbesondere in Sachsen-Anhalt – sollten sich die Frage gefallen lassen, wer länger in Deutschland lebt, arbeitet und das Land mit aufgebaut hat. Die ehemalige Einwanderer, Arbeitsmigranten und ein Großteil ihrer Nachfahren lebten bereits vor der Wiedervereinigung in Deutschland. Sie sind somit – auch wenn sie die doppelte Staatsangehörigkeit besitzen – deutscher als einige AfD-Fanatiker wie Poggenburg es sich vorstellen können. Ihre Auffassungsgabe scheint hier an Grenzen zu stoßen.

Es ist nicht das erste Mal, dass AfD-Politiker bewusst menschen- und verfassungsfeindliche Hetzansprachen halten und somit den sozialen Frieden und die gesellschaftliche Eintracht in Deutschland stören. Hetzparolen und krude Aussagen, die sich gegen die öffentliche Sicherheit und den Frieden in Deutschland richten gab es auch vom Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke, der nicht nur den Islam verbieten wollte, sondern auch eine „erinnerungspolitische 180-Grad-Wende“ forderte und das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ bezeichnete. Antisemitismus ist damit auch eine Strategie der AfD, die jetzt damit Schlagzeilen macht, mit der extremistischen PEGIDA weiter kooperieren zu wollen.

Muss bald der Verfassungsschutz eingreifen?

Manche Leute in der AfD spiegeln in ihren unkultiviert-grausamen Reden wohl ihren Hass, ihre Brutalität und ihren böswilligen Rachedurst, der anscheinend tief in ihren Köpfen verbrannt ist, wider. Solche menschenverachtenden Aussagen nehmen in allen rechtspopulistischen Parteien und Zusammenschlüssen in Europa überhand. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bezeichnet diese reaktionäre Entwicklung ganz richtig als „Strategie“. In der AfD gibt es leider schon so viele unzivilisierte Entgleisungen, dass bald der Verfassungsschutz eingreifen müsste. Derzeit sehen die Verfassungsschützer laut einer Meldung zwar keinen ausreichenden Anlass „für ein rechtsextremistisches Bestreben“, da „eine Einflussnahme oder gar eine Steuerung durch Rechtsextremisten“ derzeit nicht erkennbar sei.

Wir sollten aber sehr genau bedenken, dass diese beschwichtigende Einschätzung auch nach hinten losgehen kann. Fehler aus dem NPD-Verbotsverfahren sollten sich nicht wiederholen. Ebenso sei an das NSU-Desaster zu denken. Auch hier haben Teile der Behörden zu lange zu- und weggeschaut. Und leider nicht nur das. In zahlreichen Untersuchungsausschüssen wurde weitaus mehr bekannt. Das führte dazu, dass das Vertrauen in den Inlandsgeheimdienst und deren Aufsichtsbehörden massiv beschädigt, ja erschüttert wurde. Es darf nicht der falsche Eindruck erweckt werden, dass manche Sicherheitsbehörden auf dem rechten Auge sehgeschädigt sind. Deshalb verdienen die radikalen Flügel der AfD eine intensivere Beobachtung durch unsere Staatsorgane und Dienste. Genau wie Teile der Linkspartei berechtigterweise vom Inlandsnachrichtendienst beobachtet werden, muss nun auch der rechtsextreme Teil der AfD unter Aufsicht gestellt werden.

Von Weimar lernen

Die kurze Zeit der Weimarer Republik lehrt uns: Links- wie Rechtsextremisten dürfen keine Chance erhalten, die Republik und die Demokratie zu zerstören.
Eine „Demokratie ohne Demokraten“ können wir uns nicht noch einmal leisten. Dies kann sehr schlimme und weitreichende Schwierigkeiten für unser Land mit sich bringen. Ganz zu schweigen vom Verlust der internationalen Reputation.
Die extremistischen Parteien isolieren Deutschland. Leider erhalten sie für ihre weltfremden und fortschrittsfeindlichen Ansichten immer mehr Zustimmung. Und zwar in ganz Europa. Das bedeutet leider auch, dass unsere Demokratie und Zivilisation weitaus gefährdeter ist, als wir glauben.