Bei einem Großeinsatz hat die Berliner Polizei Razzien in mehreren Firmen, Geschäften und einer Moschee im Stadtteil Kreuzberg durchgeführt. Dabei ging es um den Verdacht auf Subventionsbetrug durch Corona-Hilfsgelder. Eine Person aus dem Vorstand der Kreuzberger Mevlana-Moschee habe demnach 14.000 Euro Soforthilfe beantragt. Wie der Berliner Tagesspiegelaus Sicherheitskreisen erfuhr, handle es sich bei der Moschee um einen gemeinnützigen Verein, der jedoch kein Anrecht auf Subventionsgelder habe. Die Hilfe sei nur für finanziell in Schwierigkeiten geratene Gewerbetreibende vorgesehen. Die Polizei Berlin teilte über den Kurznachrichtendienst Twittermit, dass an dem Einsatz des Landeskriminalamts etwa 150 Beamte teilnahmen.
Mevlana-Moschee: Vorgehen unverhältnismäßig
Die Mevlana-Moschee veröffentlichte daraufhin eine Pressemitteilung, die auch auf ihrer Facebook-Seite geteiltwurde. Darin bezeichnete der Vorstand die Beschuldigungen als „inakzeptabel“ und kritisierte das „unverhältnismäßige“ Vorgehen der „maskierten“ Sicherheitskräfte. Der Verein erklärte, dass der Antrag berechtigt gewesen sei und offene Fragen durch eine einfache Kontaktaufnahme aus dem Weg hätten geräumt werden oder abgelehnt werden können.
Zudem erklärte der Vereinsvorstand: „In den frühen Morgenstunden seien „ca. mehr als 100 Polizeibeamte zum Teil mit Sturmhauben in die Moschee eingedrungen, und zwar während sich die Gemeinde im Morgengebet befand.“ Eine Tür sowie eine Spendenbox seien aufgebrochen worden, obwohl angeboten wurde, diese aufzuschließen. „Sechs Stunden lang wurden angebliche Beweismittel sichergestellt“. Überdies kündigt der Vorstand in der Pressemitteilung an, juristische Schritte einzuleiten.
Der Journalist Fabian Goldmannkritisierte ebenso die überhöhten Maßnahmen: „An der Durchsuchung der Moschee wegen Verdacht auf Corona-Subventionsbetrug in Höhe von 70.000€ waren zehnmal so viele Polizisten (150) beteiligt wie an den Ermittlungen wegen 55 Mrd. Euro Steuerbetrug im CumEx-Skandal (15).“
EkremŞenol, Herausgeber der OnlineplattformMigazinfragte: „Warum schlägt die Polizei Tür kaputt, wess es Schlüssel gibt?”
Kritik aus Staat, Politik und Zivilgesellschaft
Zafer Sırakaya, ein in Herne geborener AKP-Parlamentarier und stellvertretender Vorsitzender für Außenbeziehungen seiner Partei, verurteilte ebenfalls das exzessive Auftreten der Polizei mit 150 Kräften während des Morgengebets als einen „offensichtlichen Indikator für institutionellen Rassismus“. Das Vorgehen zeige eine neue Phase der Unterdrückung der muslimischen Gemeinschaft unter dem Deckmantel des Gesetzes, so der aus Deutschland stammende Politiker. Und weiter: „Als Unterausschuss der Auslandstürken und verwandter Gemeinschaften werden wir diesem Thema, mitunter auf internationalen Plattformen, nachgehen.“
Des Weiteren wurde die Erstürmung der Moschee von zahlreichen deutsch-türkischen Verbandsvertretern, unter anderem von Bülent Bilgi, Vorsitzender der Union Internationaler Demokraten (UID), Durmuş Yıldırım, Vorsitzender der Union Türkisch-Islamischer Kulturvereine In Europa (ATİB), Kemal Ergün, Vorsitzender der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüş (IGMG), missbilligt.
Auch das türkische Außenministeriumverurteilte die Durchsuchung der Behörden mit scharfen Worten: „Dass die Polizei unter dem Vorwand einer Razzia die Moschee mit ihren Stiefeln betreten und dieses Gotteshaus entweiht hat, ist unentschuldbar. Ein solch abscheulicher Akt in der Hauptstadt eines Landes, das versucht, andere über Meinungs- und Glaubensfreiheit zu belehren, regt ebenfalls zum Nachdenken an“, hieß es von Seiten des Ministeriums. Diese Razzia richte sich nicht nur gegen die Gemeinde der Mevlana-Moschee, sondern auch gegen die gesamte muslimische Gemeinde in Deutschland.
Deutliche Kritik an dem Einsatz äußerte darüber hinaus der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan: Der Polizeieinsatz habe „die Religionsfreiheit völlig missachtet und zeugt von einer Islamfeindlichkeit und einem Rassismus, die Europa in das dunkle Mittelalter zurückschicken“, erklärte Erdoğan.
DerPräsident des türkischen Religionsamtes, Ali Erbaş,sprach von einer „hasserfüllte Haltung“ gegenüber Muslimen in Deutschland: „Wir beobachten, dass insbesondere in Europa die Hasssprache, die über Islamophobie erzeugt wird, auch von den offiziellen Behörden unterstützt wird. Diese diskriminierende und respektlose Behandlung der Muslime kann unter keinem Vorwand akzeptiert werden”, teilte Erbaş schriftlichmit.
Fest steht: Die maßlos übertriebene Polizeirazzia in einer Berliner Moschee führt – wieder einmal – zu Verstimmungen.